Gewerkschaften in Kolumbien
Kolumbien ist das Land, in dem Jahr für Jahr weltweit die meisten Gewerkschafter ermordet werden. Über die Hälfte der weltweit ermordeten GewerkschafterInnen kommen in diesem Land um.
Die Frankfurter Rundschau schrieb am 22.2.12:
„Die bewaffnete Gruppe ging sofort auf die Arbeiter los. Mit Schüssen vertrieb sie 185 Männer und Frauen von der Finca Palo Alto und verletzte Miguel Augusto Torregroza.
Die Vertriebenen, sonst mit der Gewinnung von Palmöl beschäftigt, protestieren seit Weihnachten dagegen, dass die Geschäftsführung ihnen Löhne vorenthält. Gerade waren sie in die Gewerkschaft eingetreten.“
Wer sich kritischen Gewerkschaften anschließt, sich für seine Interessen organisiert, lebt gefährlich in Kolumbien.
Nach Angaben von Le Monde diplomatique fielen in den letzten 26 Jahren über 3000 GewerkschafterInnen Mordanschlägen zum Opfer. Hinzu kommen weitere Gewaltverbrechen (siehe Grafik).
Verantwortlich sind ultrarechte paramilitärische Banden. In der Vergangenheit sind dabei mehrfach Verbindungen von Rohstoffkonzernen zu diesen paramilitärischen Gruppen bekannt geworden. Die Konzerne sind Nutznießer der Gewalt gegen widerständige Organisationen, seien es Gewerkschaften, Indigene oder Umweltaktivisten.
Im Text rechts dokumentieren wir eine der leider üblichen Morddrohung der Paramilitärs.
Amnesty International
geht sogar von einer “koordinierten militärischen, wie paramilitärischen Strategie gegen die Gewerkschaften aus” siehe AI-Bericht.
Dabei bleiben über 90% der begangenen Verbrechen straffrei. Ermittlungen werden nicht zumeist entweder gar nicht erst aufgenommen oder führen zu nichts.
Aus diesem Grund, hat das Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) den relativ gut dokumentierten Fall des Gewerkschafters Luciano Romero, der bei Nestle gearbeitete hatte, in der Schweiz, dem Sitz des Konzerns, zur Anzeige gebracht. Romero [s1] Der Fall Romero
Recherchen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zufolge werden mehr als zwei Dritteln der ArbeitnehmerInnen außerdem auch grundlegende Arbeits- und Sozialrechte verweigert.
Aus diesem Grunde fordern Gewerkschafter und Menschenrechtsorganisationen, dass das Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien nicht abgeschlossen wird.
Im Kern sieht dieses “Freihandelsabkommen” zollfreie Importe für kolumbianische Rohstoffe, wie Kohle oder Ölprodukte vor. Umgekehrt können dann europäische Multis ohne Einschränkungen in Kolumbien investieren.
Der Energiesektor spielt aus deutscher Sicht dabei eine zentrale Rolle: Kohleimporte, Landraub für Palmölplantagen und Investitionen der Deutschen Bank beim Kohlebergbau werden erleichtert und vergünstigt.
Wenn die Verträge zwischen Kolumbien und der EU, die unter deutscher Federführung abgeschlossen wurden, umgesetzt werden sollten, werden sich die tödlichen Gefahren für Gewerkschafter noch einmal deutlich erhöhen, weil dann der “Run” auf die reichlich vorhandenen Rohstoffe im Land noch aggressiver wird.
…das Europaparlament hat am 11.12. dieses unsägliche Abkommen ratifiziert – siehe hier
Um gegen die Verbrechen an kolumbianischen Gewerkschaftern und deren Straflosigkeit auch juristisch vorzugehen, wurde vom Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) zusammen mit der kolumbianischen Menschenrechtsorganisation CAJAR und dem kolumbianischen Gewerkschaftsdachverband CUT am 9.10.12 beim Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag eine Strafanzeige eingereicht. siehe hier.
Und auch der DGB begründet seine ablehnende Haltung gegen das Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien mit massiven Menschrechtsverletzungen und der Verfolgung von GewerkschafterInnen – siehe hier.
Beerdigung eines ermordeten Minengewerkschafters
Ein Sektor der Superlative:
Die boomende Kohleindustrie nimmt weder auf die Landschaft, noch auf ihre Arbeiter Rücksicht.
Artikel von Jeroen Kuiper in “der Freitag” vom 19.09.2012 .
Aus dem Text: „(…) Wie zweifelhaft der Ruf des kolumbianischen Bergbaus ist, zeigt das Beispiel des US-Unternehmens Drummond, nach Cerrejón der zweitgrößte Kohleproduzent im Land, der sich in den USA wegen der möglichen Verwicklung in die Ermordung kolumbianischer Gewerkschafter verantworten muss. Obwohl Drummond das strikt abstreitet, gaben ehemalige Paramilitärs mittlerweile zu, Geld für Anschläge auf zwei Gewerkschafter genommen zu haben, das von Drummond kam.
Die beiden Opfer wurden vor gut zehn Jahren auf dem Drummond-Gelände am helllichten Tag aus dem Betriebsbus gezogen und einfach exekutiert. Drummond wird ebenso vorgeworfen, in der Vergangenheit dafür gesorgt zu haben, dass ganze Dörfer unter Zwang – also mit Hilfe der Polizei – umgesiedelt wurden. Mittlerweile regt sich in mehreren EU-Ländern Widerstand gegen die Einfuhr kolumbianischer „Blutkohle“…“
Unter diesen für uns hier unvorstellbar harten Bedingungen wird dort trotzdem der Kampf geführt.
Dabei solidarisieren sich die Gewerkschaften in der Kohleindustrie auch zunehmend mit ökologischen Bewegungen oder auch den sozialen Anliegen der Bevölkerung in der Region.
Gemeinsam wird gegen die skrupellosen transnationalen Konzerne vorgegangen. So geschehen beispielsweise bei der (mittlerweile erfolgreichen) Kampagne gegen die Umverlegung des Rio Rancherías.
Hier die engagierte Rede des Chefs der Minenarbeitergewerkschaft “sintracarbón” Igor Diaz, der “Widerstand bis zur letzten Konsequenz” ankündigt” auf einem Video.
Eben dieser Diaz, wird zusammen mit einem Kollegen seit Mitte Januar 2013 mit dem Tode bedroht – inkl. deren Familien. Amesty International hat eine Unterstützungskampagne gestartet – siehe hier
Seit dem 7.2. sind die Arbeiter von Cerrejón im unbefristeten Streik.
Aus der Streikerklärung:
Die Gewerkschaft fordert für die Arbeiter den gerechtfertigten Anteil an dem enormen Profit, welcher der ausländische Konzern Cerrejón erwirtschaftet. Allein im Jahr 2012 wurden 34,6 Millionen Tonnen Steinkohle produziert, davon gingen 32,8 Millionen in den Export.
Dieser Streik soll den Konzern Cerrejón zwingen die Verantwortung für die enorme Umweltzerstörung die durch den Abbau der Kohle entstanden ist einzugestehen und endlich zu handeln. Das Gleiche gilt für die extreme Armut der im Kohlerevier betroffenen Bevölkerung.
Dieser Streik soll Cerrejón zwingen ihre durch die Arbeit erkrankten Arbeiter anzuerkennen und zu behandeln. Auch müssen die Pläne für die Umleitung des Flusses Rio Rancheria gestoppt werden, welche auch eine erhebliche Ausdehnung der Mine vorsehen. Ebenso muss eine Lösung für die von Vertreibung betroffene Bevölkerung in den Gemeinden durchgesetzt werden. Außerdem müssen würdevolle und für die Gesundheit verantwortliche Arbeitsstandarts garantiert werden und die vielen Hilfs- und Leiharbeiter brauchen endlich feste und direkte Arbeitsverträge.
Das Umweltbewusstsein der Minenarbeiter ist dabei auch leicht erklärbar – schließlich sind alleine in Cerrejón über 700 Minenarbeiter an chronischen Lungenkrankheiten erkrankt und die Familien der Arbeiter wohnen zumeist in unmittelbarer Nachbarschaft.
Trotz der extrem harten Bedingungen waren und sind Streiks in der Kohleindustrie mitunter auch erfolgreich, was ein Beispiel aus 2011 zeigt. …mehr…
Aber auch in 2012 gab es eine ganze Reihe von in der hiesigen Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen Streiks in der Kohleindustrie.
Außerdem gibt es immer wieder Anschläge der Guerillas gegen die Infrastruktur der Konzerne.
Dies alles hatte auch erhebliche Auswirkungen auf Produktion und Export. Letzterer ist vor allem deswegen in 2012 rückläufig.
Der US-amerikanische Multi Drummond hat daraufhin Konsequenzen gezogen und seine Investitionen in den kolumbianischen Kohlebergbau bis auf Weiteres eingefroren.
Einen Überblick über das Kohlerevier wo 2012 auch die Arbeitskämpfe stattgefunden haben, findest Du auf der Seite Protest und Widerstand (mapa carbón y lucha…etwas weiter unten)