Vattenfall verklagt Deutschland

Vattenfall verklagt Deutschland

Bereits 2009 zog Vattenfall vor das internationale “Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten” (Icsid) in Washington. Seinerzeit verklagte Vattenfall die Bundesrepublik Deutschland auf 1,4 Milliarden Euro “Schadensersatz”.

Grund war das Kohlekraftwerk Moorburg, das die Stadt Hamburg nur mit so hohen Umweltauflagen genehmigt hatte, dass der Konzern hohe Verluste fürchtete.

 

Das Schiedsgericht ist integrierter Teil der Weltbank und hat seinen Sitz in deren Washingtoner Zentrale. Stammgäste dort auf der Anklagebank waren zuvor allerdings ausschließlich Staaten, wie Venezuela oder Bolivien (2007 ausgetreten) – verklagt von zumeist multinationalen Konzernen.

Dabei geht es dann in der Regel um gegen diese erhobene zusätzliche Besteuerungen oder auch um Verstaatlichungen. Die Weltbank hat bei einem Urteil gegen einen angeklagten Staat dann auch ausreichend Instrumentarien die Strafen einzutreiben. Gängiges Druckmittel ist dabei die Verweigerung von Krediten.

Die Urteile des Schiedsgerichts sind letztinstanzlich, sowohl Verhandlungen, als auch Schiedsspruch bleiben grundsätzlich geheim – es sei denn beide Parteien stimmen einer Veröffentlichung zu.

Kurioser Weise finden die meisten dieser “Verhandlungen” dann auch nicht in einem Gerichtssaal statt, sondern in Hotel – Konferenzräumen in Paris, London oder Washington. Beteiligt sind bei 55% aller geführten Verfahren nur 15 Schiedsrichter. Und die wechseln jeweils noch die Rollen. Mal sind sie Klägervertreter, mal Schiedsrichter, mal Anwalt des gerade beklagten Staates.

Die Zahl der Verfahren steigt dabei rasant: 1995 gab es nur 3, während 2012 schon 50 solche “Schiedsgerichts -Verfahren” geführt wurden. Zumeist siegen dabei die Firmen. In 2012 waren dies bei 70% aller Verfahren der Fall.

Dabei spricht sich eine Nation in Europa besonders für diese offensichtlich parallele Rechtssprechung im Sinn der großen Konzerne aus: Die Bundesrepublik Deutschland.
Ein sehr aufschlußreicher Bericht hierzu aus dem Juni 2013 von Monitor

Das aber ein westlicher Staatskonzern (wie Vattenfall) ein eng befreundetes anderes westliches Land verklagt hatte es vorher noch überhaupt nicht gegeben. Deutschland ist schließlich Schwedens wichtigster Handelspartner in Europa und umgekehrt Schweden für Deutschland der wichtigste in Nordeuropa. Hamburg ist dabei zusätzlich noch die wichtigste Drehscheibe.

Bei der “causa Moorburg” hätte die Bundesrepublik Deutschland im als wahrscheinlich erachteten Fall einer Verurteilung die verhängte Strafe direkt an Hamburg “durchgereicht”. Dort sind schließlich die beanstandeten Umweltauflagen verhängt worden. Somit saßen also Vertreter Hamburgs mit Vattenfall von vorneherein am Verhandlungstisch hinter verschlossenen Türen und “moderiert” von der Weltbank. Man einigte sich und vermied damit einen Schiedsspruch des ICSID.

Das Ergebnis ist nie veröffentlicht worden. Mindestens rausgeschlagen hat Vattenfall den Hybrid – Kühlturm, der immer dann angeschmissen wird, wenn die Elbe lt. Auflagen der BSU nicht noch weiter aufgeheizt werden darf. Mehr dazu hier

Für Vattenfall kann es aber auch sonst keine so schlechte Erfahrung gewesen sein, denn schließlich zog Vattenfall ja erneut 2011 vor das Schiedsgericht. Diesmal ging, bzw. geht es um den “Atomausstieg”.

Hier ist Vattenfall erneut der Auffassung um Investitionen und “zustehende Gewinne” von Deutschland rechtswidrig betrogen worden zu sein. Vattenfall fordert eine “faire Entschädigung”…erneut geht es um 3,5 Milliarden €. Dazu der Spiegel.

Vattenfall ist übrigens in diesem Falle der einzige der “big 4″ – Energiekonzern in Deutschland mit Klageberechtigung in Washington. Die anderen, wie RWE sind deutsche Gesellschaften und können gegen politische Entscheidungen hier nicht vor das internationale Schiedsgericht ziehen.

Vattenfall schielt auch offensichtlich erneut optional auf materiellen Ausgleich unterhalb eines Schecks aus der Steuerkasse.
Dabei geht es z.B. um Haftungsrahmen für die Altmeiler – hier möchte Vattenfall gerne raus.

Und dann auch um die Konditionen des milliardenteuren Rückbaus…oder doch auch um Längerlaufzeiten beispielsweise für Brokdorf?
…oder um Endlagerung?

Die Wunschliste ist vermutlich lang, teuer, vor allem aber ist das ganze Verfahren erneut mal wieder völlig intransparent.
In diesem Fall auch besonders dreist, weil es ja gegen die Entscheidung einer gewählten Nationalen Regierung geht und es schließlich Vattenfalls Pannenmeiler in Krümmel und Brunsbüttel keineswegs willkürlich oder zufällig getroffen hat.
Vielmehr ist Vattenfall ja selber verantwortlich für diese Auswahl.

Einen interessanter Artikel zu Investitionsklagen, dem “Milliardengeschäft für findige Anwälte” schrieb die ZEIT – online

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