Moorburgtrasse
Erfolgreicher Protest gegen die Fernwärmetrasse durch St.Pauli und Altona.
Dieses 400 Mio. € Projekt ist zum einen gescheitert, weil die Auswirkungen der Trassenbaustelle für die AnwohnerInnen extrem einschneidend gewesen wären.
Zum anderen daran, dass es für AktivistInnen in dem Stadtteil einfacher war nachhaltigen Protest zu entwickeln, als dies am Bauplatz selber oder in Moorburg der Fall war, inkl. einer wohl gelungenen Vernetzung mit ganz vielen Gruppen und AnwohnerInnen.
Und sicherlich auch daran, dass Vattenfall selber alles getan hat um bloß kein Fettnäpfchen auszulassen und damit die Kampagne ständig mit neuer Nahrung gefüttert hat. Eines davon war die unmittelbare Verknüpfung von “Ausgleichszahlungen” für gefällte Bäume mit einer weitreichenden Umwandlung / Gentrifizierung des Altonaer Grünzugs.
Die strategische Wichtigkeit der Moorburg – Fernwärmetrasse für das Kraftwerksprojekt Moorburg selber ist dabei erheblich und facettenreich. Mehr dazu auf der Unterseite Auswirkungen auf Moorburg.
Geschichte und Entwicklung des Protests
Zunächst versuchte Vattenfall das Ganze als kleinere, ganz normale “Leitungsbaustelle” zu verkaufen und hielt die Pläne dafür geheim. Mit Unterstützung der damals grün geführten Umweltbehörde wurde Vattenfall das vereinfachte sog. Planverfahren ermöglicht, das weder Transparenz noch Bürgerbeteiligung vorsah.
Durch eine undichte Stelle im Bezirk Altona sickerten die Planungen Anfang 2009 dann aber doch durch und wurden erstmals von der Gruppe “Elchtest” auf Indymedia veröffentlicht. Dabei hatte sich Gruppe Elchtest in einem sehr wesentlichen Punkt getäuscht, nämlich: Die Fernwärmeproduktion hat gar nicht wirklich etwas mit der “Abwärme” zu tun, sondern ist ein eigenständiger Produktionskreislauf im Kraftwerk, bei dem ganz erheblich CO2 – emittiert…(etwas kompliziert und wer es genau wissen will klicki hier)
Im Juni 2009 wurde dann die vereinfachte Genehmigung erteilt und im Freihafen (siehe Foto oben) auch mit den Arbeiten begonnen. Nun wurde den betroffenen AnwohnerInnen in Altona und St.Pauli klar, was da auf sie zurollt. U.a. sollten über 300 Bäume alleine in Altona gefällt werden und St.Pauli – Süd mit einem großen Tunnel unterfahren werden…der wiederum von Vattenfall für “absolut sicher” erklärt wurde.
Daraufhin begannen AnwohnerInnen sich dagegen zu organisieren, kennzeichneten die betroffenen Bäume und riefen zu einer ersten (Fahrad-) Demo auf….siehe Plakat.
Ca. 300 Leute fuhren dann vom Bernstorffstraßenfest durch den Stadtteil Richtung Hafenstraße und dann die Trassenführung bis Altona – Nord ab.
Im Anschluss daran gründete sich die Ini “Moorburgtrasse – Stoppen”.
Die inhaltliche Grundausrichtung spiegelte sich dann auch in dem ersten ausführlichen Papier der Initiative ganz gut wieder, das insgesamt in einer Auflage von 10.000 verteilt wurde – die Schneise der Verwüstung
Die Ini beteiligte sich jedenfalls flucks an dem Recht auf Stadt – Netzwerk und ging gleichzeitig auf alle in Hamburg zu Moorburg selber aktiven Gruppen und Verbände zu. So konnte der BUND dann auch gewonnen werden eine Klage einzureichen und trug seitdem die Proteste und Öffentlichkeitsarbeit auch sonst wesentlich mit.
Die Initiative wuchs dann stark an und zeigte zunehmend Präsens im Stadtteil – von Büchertischen über ein AnwohnerInnenparkfest (Flyer), Kundgebung vor dem Altonaer Rathaus, wo Vattenfall eine Exklusivveranstaltung für die Bezirkspolitiker abhielt, bis hin zu “öffentlichem Aktionstraining” im Park und ersten “Trassensparziergängen”
Durch eine 3 -monatige Baum- und Parkbesetzung und einen für den Tag der Räumung und Abholzung der Bäume organisierten bzw. angedrohten Tag X wendete sich das Blatt.
Diese Zeit ist rückblickend entscheidend gewesen und bekommt deswegen auch eine eigene Unterseite -klicki hier
gerichtlich verfügter Baustopp
Schließlich entschied das Oberverwaltungsgericht in 2. Instanz, dass die vereinfachte Genehmigung grundsätzlich anfechtbar wäre, was einen unmittelbaren Baustopp bedeutete.
Hilfreich war dabei der glückliche Umstand, dass die von der „grün“ geführten Umweltbehörde erteilte Genehmigung juristisch „schlecht gemacht“ und damit leicht anfechtbar war. Vor allem die völlig abwegige Behauptung, dass die Trassenbaustelle “zweifelsfrei keinerlei relevante Auswirkungen auf Naturschutz- und AnwohnerInneninteressen” habe ließ sich leicht widerlegen. Und damit war auch die genehmigungsrechtliche Grundlage für das vereinfachte Verfahren hinfällig.
Vattenfall leitete dann ein sog. Planfeststellungsverfahren ein, näheres dazu siehe hier
nach den erfolgreichen Baumbesetzungen
hat die Initiative sich zum einen mit zusätzlichen direkten Ortsgruppen – AGs weiterentwickelt. Aus dem “Mutterschiff Trassenini” heraus haben sich auch div. ganz eigenständige Initiativen herausgebildet, wie “Lesetage selber machen – Vattenfall tschüss sagen” oder auch “KEBAP e.V.” (Kultur Energie Bunker Altona Projekt)
Auch innerhalb der Trassenini selber erweiterte sich die Diskussion, sowie Aktivitäten dann zunehmend in Richtung Vattenfall, sowie Moorburg selber. Hierzu gingen von der ohnehin eher aktionistisch geprägten Ini dann auch div. Aktionen aus, bzw. war sie an etlichen entsprechenden Bündnissen beteiligt. Von “Vattenfall wegbassen” bis hin zu Protesten gegen die Cyclassics und gegen das “greenwashing” überhaupt…beispielsweise gegen die Frechheit ausgerechnet Hamburg zur “Umwelthauptstadt Europas 2011″ zu küren…und gleichzeitig ein Riesen – Kohlekraftwerk zu bauen. Siehe dazu video.
Ein wesentlicher Schritt war es dann , sich als eine der Gründungsmitglieder bei dem Volksentscheid “Unser Hamburg – unser Netz” – kurz UHUN aktiv zu beteiligen. Das dahinter stehende breite Bündnis setzt sich für die 100 -%tige Übernahme der Energienetze durch die öffentliche Hand ein. Der Volksentscheid wird im September 2013 zur Bundestagswahl kommen. Dementsprechend auch ein für gegenstrom.13 wesentlicher Rahmen und deswegen eine eigene Unterseite – siehe hier.
Senat und Vattenfall verkünden,
die Moorburgtrasse soll nicht mehr gebaut werden
Am 29.11.11 – also unmittelbar nach dem Erörterungstermin im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens platzte diese Nachricht in die hamburger Öffentlichkeit. Das Ganze war Teil des sog. Netzedeals, der vor allem das Ziel hatte, dem Volksentscheid von UHUN den Wind aus dem Segeln zu nehmen.
Kern der in Geheimverhandlungen ausgeküngelten Vereinbarung war zum einen die 25,1% tige Übernahme der Energienetze durch die Stadt, sowie die Aufgabe der Moorburgtrasse und deren Ersatz durch ein mit Erdgas befeuertes GuD (Gas und Dampfkraftwerk).
Ebenfalls aus unserer Sicht wesentlicher Bestandteil der Vereinbarung war die Bekräftigung der (wenn auch dann reduzierten) Moorburg – Projektierung. Und auch ein ausdrückliches Zusammenrücken von SPD – Senat mit den in Hamburg agierenden Energieriesen Vattenfall und eon. Die Stellungnahme der Ini dazu ist nachzulesen hier
Trotz der vielen auch extrem negativen Bestandteile und Aussagen in der sog “Kooperationsvereinbarung” war dann aber doch noch eine “total korrekte Zwischenetappensiegesfeier mit voll krass Analyse” fällig.
Mittlerweile ist ein weiteres Jahr vergangen, in dem sowohl Vattenfall, als auch führende SenatsvertreterInnen mehrfach öffentlich betont haben, dass die Moorburgtrasse nicht mehr gebaut werden soll.
Ein nochmaliges aus der Schublade ziehen ist dennoch nicht völlig auszuschließen, wird aber allgemein als sehr unwahrscheinlich betrachtet. Zumal aktuell div. große Bauvorhaben entlang der geplanten Trassenbaustelle begonnen haben, die einen Baubeginn in den nächsten 2 Jahren schlicht unmöglich machen.
Dies ist natürlich ein großer Erfolg und wiederum nur durch die Beharrlichkeit und Stärke der Proteste erklärbar. Hinzu kam die nicht kalkulierbare Dynamik, die eine lang andauernde “Moorburg / Vattenfall – Großbaustelle” im Stadtteil durchaus hätte auslösen können.
Und ebenfalls aus unserer Sicht entscheidend: Der politische Druck, vor allem durch UHUN und das Recht auf Stadt – Netzwerk, ohne den dieser Erfolg ebenfalls nicht denkbar gewesen wäre.
Die Initiative ist nun zwar logischerweise kleiner geworden, pflegt und gestaltet aber ihre zahlreichen “Metastasen” weiter, sowie beteiligt sich weiterhin, bzw. erst Recht an Bündnissen, wie z.B. gegenstrom.13, die geeignet sind bei Ziel Nr.2 voran zu kommen – nämlich der Verhinderung von Moorburg.