Wie Deutschland nach Vattenfall kam
Den Einstieg fand Vattenfall 1999 in Hamburg.
Der damalige SPD – Bürgermeister Runde benötigte dringend Geld in der Stadtkasse. Hamburg verkaufte deswegen 25,1% der Hamburgischen Elektrizitätswerke (HEW) an Vattenfall.
Der ausgehandelte Kaufpreis damals lag bei 1,7 Milliarden Mark, also ca. 850 Mio.€. Damit wurde ca. doppelt soviel gezahlt, wie der Kurswert der damals verkauften HEW – Aktien hergegeben hätte.
In der Öffentlichkeit wurde dieser Handel seinerzeit regelrecht bejubelt, zumal Hamburg ja 50,2% der Anteile selber behalten hatte – der Rest lag bei verschiedenen weiteren Aktionären. Hamburg könne somit die Geschicke der HEW weiterhin völlig unabhängig bestimmen – so dachte man…und der Preis war “heiß”…
Außerdem hatte Vattenfall damals noch den guten Ruf innovativ und tendenziell fortschrittlich ausgerichtet zu sein. Die alten HEW hingegen galten als abgewirtschaftet und “nicht zukunftstauglich” angesichts der seinerzeit “liberalisierten Strommärkte”. Kritik gab es nur ganz vereinzelt aus Kreisen linker Gewerkschafter, wegen zu Recht befürchteter Verschlechterung der Arbeitsbedingungen..
Dabei hätte eigentlich schon an dieser Stelle auffallen müssen, dass die HEW im Grunde genommen sehr viel mehr Wert war:
Zu ihr gehörten schließlich 4 größtenteils schon damals abgeschriebene Atomkraftwerke (Stade, Krümmel, Brokdorf und Brunsbüttel),
2 Kohle-Heizkraftwerke, weitere kleinere Strom- und Wärmekraftwerke,
das Stromnetz, das Fernwärmenetz, ein Fernwärmemonopol,
die Mehrheit der Anteile an der Hamburger Gaswerke GmbH,
etliche Verwaltungsgebäude und logistische Zentren,
sowie ein sicherer Kundenstamm von mehreren 100.000 Anschlüssen.
Rechnet man den Kaufpreis, den Vattenfall damals zahlte hoch auf 100% kommt man auf einen angeblichen Gesamtwert von 3,2 Milliarden €, also etwas mehr (oder vielleicht auch nicht), was allein die Investition beim Kohlekraftwerk Moorburg aufruft…
Oder eine andere aktuelle Vergleichszahl ist die des angeblichen “Werts”, der Strom- und Fernwärmenetze in Hamburg.
Hier hatte umgekehrt die Stadt Hamburg beim sog. “Netzedeal” 2011 ihrerseits folgende Preise akzeptiert:
544 Mio.€ für 25,1 % der Strom-, sowie Fernwärmenetze in Hamburg inkl. der Wärmeerzeugungsanlagen.
Das wiederum hochgerechnet auf 100% ergibt ca. 2,15 Milliarden € – wohlgemerkt nur für die Netze und alte Kohleheizkraftwerke (anstehende Rückbaukosten inkl.)
…alles Artikel, die schon seinerzeit von den HEW an Vattenfall verkauft und seitdem nur notdürftig gewartet wurden.
Das reale Wertverhältnis innerhalb des Deals von 1999 wird von Experten wie folgt grob eingeschätzt: 50% der Kraftwerkspark, 30% der Kundenstamm, 20% die Netze und Wärmeerzeuger. Dementsprechend hätten die Netze ect. seinerzeit einen gesamten Wert von “nur” 680 Mio.€ gehabt. Oder umgekehrt, wenn man von dem neulich vereinbarten Preis für die Netze ausgeht hätten damals die HEW einen Gesamtwert von immerhin 10,75 Milliarden eigentlich gehabt
…letztlich stimmen beide Zahlen objektiv nicht, sondern sind nur “kaufmännisch stimmig” und das auch nur für Vattenfall.
Völlig anders, als erwartet verlief auch der weitere Werdegang innerhalb der Übernahme der HEW durch Vattenfall:
Im Oktober 2000 verkündete Vattenfall, dass sie nunmehr über 70% aller Aktien der HEW besitzen würden – diese hatten sie nach und nach auf dem Markt heimlich aufgekauft. Nun hatten die Schweden das Sagen und entließen mit als erstes den damaligen und als störrisch geltenden HEW – Chef Timm (2001)…Foto von davor.
2002 verkaufte dann der neue Senat von CDU, FDP und Schill-Partei die restlichen HEW-Anteile für 869 Millionen Euro an Vattenfall. Die Stadt war raus und konnte nur noch eine Beschäftigungsgarantie durchsetzen, nach der mindestens 3000 Vattenfall -Mitarbeiter in Hamburg bleiben sollen…
Das Hamburger Abendblatt zitiert 2011 ehemalige HEW – Mitarbeiter über die damaligen Vorgänge:
“Nachdem Vattenfall die Mehrheit hatte, durchforsteten Controller die HEW, suchten nach Möglichkeiten der Effizienzsteigerung und Einsparungen, wobei das erste Ziel eine Einsparungssumme von 500 Millionen Euro jährlich im neuen Konzern war”, und weiter:
“Vattenfall hat schon von Anfang an Druck auf die HEW ausgeübt. Stille Reserven wurden offengelegt, sodass die HEW nicht nur ihren eigenen Kaufpreis selbst bezahlen mussten, sondern auch den für Bewag, Veag und Laubag”.
Diese “stillen Reserven” sind bei Atomkonzernen steuerfreie Rückstellungen, die eigentlich für Rückbaukosten bei Atomkraftwerken angelegt werden. Die genaue Höhe dieser Rückstellungen bei den HEW zum Zeitpunkt der Übernahme durch Vattenfall ist nicht bekannt. 2 Jahre vorher – also 1997 waren es aber 4,7 Milliarden Mark – siehe link. Und damit ein Großteil dessen, was Vattenfall insgesamt für die HEW hingeblättert hatte (6,8 Milliarden Mark).
Mit diesen o.g. stillen Reserven, aber auch mit Geldern aus Ausgleichszahlungen für stillgelegte AKWs in Schweden ging Vattenfall dann 2000-2002 weiter quer durch vor allem Ostdeutschland shoppen.
Unter Schirmherrschaft der Treuhand und ohne größere öffentliche Wahrnehmung erwarben die seinerzeit schon von Vattenfall geführten HEW für erneut schmales Geld die Mehrheit bei den ostdeutschen Gesellschaften Vereinigte Energiewerke AG (VEAG) sowie dem Bergbauunternehmen Lausitzer Braunkohle AG (LAUBAG).
2002 fusionierten dann die HEW und VEAG, sowie LAUBAG zur noch heute für das Deutschlandgeschäft zuständigen Vattenfall Europe, einer 100%tigen Tochter des schwedischen Mutterkonzerns…zu der Anfang 2003 die Berliner Bewag hinzu kam. Nach dieser ausgiebigen shoppingtour hatte Vattenfall die Rücklagen auf 1/3 reduziert (2005: 840 Mio. €)
Die Marken HEW und Bewag wurden nach der Fusion zunächst beibehalten. Seit Januar 2006 tritt Vattenfall in ganz Deutschland unter der einheitlichen Marke Vattenfall auf.
2006 wurde auf der Hauptversammlung der Vattenfall Europe der Ausschluss von Minderheitsaktionären mittels eines Squeeze-out beschlossen.
Seitdem ist alles, wo Vattenfall drauf steht auch zu 100% Vattenfall.